Gerichtliches Scheidungsverfahren

Ehepaar S.:

Herr S. möchte sich scheiden lassen, weil er herausgefunden hat, dass seine Frau in ihrem Urlaub ein Verhältnis hatte und zu diesem Herrn auch noch Kontakt hat. Sie streitet das ab und stimmt einer Scheidung nicht zu.

Scheidungsklage

Am Beginn des Verfahrens steht die Scheidungsklage, die schriftlich beim zuständigen Bezirksgericht eingebracht wird. Wer sich nicht durch einen Anwalt vertreten lassen will, kann die Klage auch mündlich am Amtstag bei Gericht zu Protokoll geben. In der Klage muss ein wichtiger Grund für die Scheidung behauptet werden, also eine oder mehrere Eheverfehlungen des Ehepartners (mehr zu den Scheidungsgründen hier …). Bei Einbringung der Scheidungsklage ist an das Gericht eine Pauschalgebühr zu zahlen.

Im Scheidungsverfahren besteht kein Anwaltszwang, d.h. die Parteien müssen sich nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen.

Das Gericht stellt die Klage dem anderen Ehepartner zu und schreibt einen Termin für die erste Verhandlung aus. Zu diesem müssen beide Ehepartner, die im Verfahren Parteien genannt werden, persönlich erscheinen. Auch ihre Rechtsanwälte sind beim Termin anwesend.

Erster Verhandlungstermin

Der erste Verhandlungstermin läuft informell ab. Zuerst fragt der Richter, ob eine Versöhnung möglich ist. Danach wird über eine mögliche einvernehmliche Lösung geredet. Der Richter verschafft sich einen Überblick über die persönliche und finanzielle Situation der Familie und bespricht mit den Parteien und ihren Rechtsanwälten mögliche Lösungen.

Dabei geht der Richter noch nicht auf die behaupteten Eheverfehlungen ein, sondern ist bemüht, den Fokus des Gespräches in die Zukunft zu richten. Oft werden in dieser ersten Verhandlung die Weichen gestellt für eine einvernehmliche Lösung, über die die Beteiligten dann außergerichtlich weiter verhandeln. Am Ende der Verhandlung gibt der Richter den nächsten Gerichtstermin bekannt.

Das streitige Gerichtsverfahren kann jederzeit in eine einvernehmliche Scheidung umgestellt werden.

Erster Verhandlungstermin im Beispielsfall:

Die Richterin fragt zunächst, ob eine Versöhnung möglich sei, die beide Parteien ausschließen. Danach redet man über eine mögliche einvernehmliche Lösung. Es wird besprochen welches Vermögen aufzuteilen ist. Herr und Frau S. besitzen gemeinsam eine Eigentumswohnung in Wien, auf die jeder der beiden Anspruch erhebt. Frau S. verdient nicht so gut wie Herr S. und sieht die Wohnung als ihre Altersvorsorge. Herr S. hat sein Erbe in die Wohnung investiert und möchte unbedingt dort wohnen bleiben. Da sie sich über die Aufteilung der Ehewohnung nicht einigen können, kommt eine einvernehmliche Scheidung nicht zustande. Um Unterhalt geht es nicht, da jede Partei berufstätig ist und auch eine eigene Pension erhalten wird. Eine paktierte Scheidung lehnt Herr S. ab, weil er nicht einsieht, dass er auch schuld sein soll an der Zerrüttung der Ehe.

Beendigung des Verfahrens durch paktierte Scheidung

Oft ist eine einvernehmliche Lösung nicht möglich, weil sich die Parteien über die Vermögensaufteilung wie im Beispielsfall oder die Frage, wo die Kinder künftig hauptsächlich leben sollen, oder sonst nicht einigen können. In solchen Fällen schlagen die Richter oft vor, eine sogenannte paktierte Scheidung durchzuführen. Dabei gestehen die Parteien ein gleichteiliges Verschulden an der Zerrüttung der Ehe zu und das Gericht kann ohne weiteres Verfahren mit Urteil die Ehe scheiden. Gleichzeitig verzichten die Parteien wechselseitig auf Unterhalt.

Die strittige Frage der Vermögensaufteilung kann dann in einem eigenen Gerichtsverfahren, dem Aufteilungsverfahren (mehr zur Aufteilung der Wohnung hier …) geklärt werden. Betrifft die strittige Frage die Kinder, kann darüber ein Pflegschaftsverfahren geführt werden.

Der Vorteil der paktierten Scheidung ist die Abkürzung der gerichtlichen Streitigkeiten und damit eine emotionale Entlastung der Parteien und Kostenersparnis.

Bitte beachten Sie: Das gleichteilige Verschulden könnte künftig unter gewissen Umständen trotz Unterhaltsverzicht eine Unterhaltspflicht nach Billigkeit gemäß § 68 Ehegesetz zur Folge haben. Außerdem kann das Verschulden eventuell bei der Zuweisung der Ehewohnung im Aufteilungsverfahren relevant werden.

Weiterer Ablauf des streitigen Gerichtsverfahrens

Gibt es keine einvernehmliche Lösung, wird im weiteren Gerichtsverfahren darüber verhandelt, ob und welche Eheverfehlungen die Parteien begangen haben. Die Parteien führen in ihren Schriftsätzen oder mündlich bei den Gerichtsverhandlungen die jeweiligen Eheverfehlungen des anderen aus und legen dem Gericht Beweise vor, wie Fotos, Urkunden usw. Das Gericht führt in den weiteren Verhandlungen zunächst die Parteienvernehmungen durch, üblicherweise zuerst die des Klägers, dann die des Beklagten. Werden von den Parteien Zeugen beantragt, werden auch diese vom Gericht gehört. Die Befragungen werden dabei zunächst vom Richter geführt, danach können die Rechtsanwälte Fragen stellen.

Nach Abschluss der Beweisaufnahme schließt der Richter die Verhandlung. Das Scheidungsurteil wird manchmal in der letzten Verhandlung mündlich verkündet, meistens aber schriftlich erlassen. Das Urteil kann der Klage stattgeben und die Ehe aus dem alleinigen oder überwiegenden oder gleichteiligen Verschulden scheiden, oder die Klage abweisen. Dann bleibt die Ehe bestehen.

Weiteres Scheidungsverfahren im Beispielsfall:

Der Anwalt von Herrn S. führt in einem Schriftsatz die Scheidungsgründe näher aus legt dem Gericht die Emailkorrespondenz von Frau S. mit ihrer Urlaubsbekanntschaft und die Fotos, die Herr S. gefunden hat, vor. Er beantragt auch die Einvernahme dieses Herrn als Zeugen. Darauf repliziert der Anwalt von Frau S. und schreibt, warum das Vorbringen in der Klage nicht richtig ist. Er wendet ein, dass die Ehe schon unheilbar zerrüttet war, als Frau S. dieses Verhältnis hatte. Herr S. habe sich für seine Frau nicht mehr interessiert und habe sie lieblos behandelt. Als Zeugen dafür beantragt er die beste Freundin von Frau S. und ihre Mutter.

Die Richterin nimmt in den weiteren Verhandlungen zunächst die Emails und Fotos zum Akt und führt dann die Vernehmungen der Parteien und danach der Zeugen durch. Fünf Verhandlungstermine im Abstand von 6 bis 8 Wochen sind dafür notwendig. 9 Wochen nach der letzten Verhandlung erhalten die Rechtsanwälte das schriftliche Urteil zugestellt. Die Richterin scheidet die Ehe wegen überwiegenden Verschuldens von Frau S. Die Richterin sieht ein gewisses liebloses Verhalten auf Seiten beider Parteien, das allerdings nicht zur vollständigen Zerrüttung der Ehe geführt hat. Der Ehebruch von Frau S. und ihr aufrechter Kontakt zu diesem Mann wertet die Richterin als schließlich ausschlaggebend für die Zerrüttung der Ehe, weshalb sie Frau S. das überwiegende Verschulden anlastet. Frau S. muss Herrn S. deshalb seine Prozesskosten ersetzen.

Berufung gegen das Urteil

Gegen ein Scheidungsurteil können die Parteien eine Berufung einlegen, wenn das Gericht aus ihrer Sicht nicht richtig entschieden hat. Die Berufung ist binnen einer Frist von 4 Wochen ab Zustellung des Scheidungsurteiles beim entscheidenden Gericht einzubringen. Darüber entscheidet das übergeordnete Landesgericht für Zivilrechtssachen. Für die Berufung ist eine Pauschalgebühr an das Gericht zu zahlen.

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