Heiraten mit Ehevertrag
Ehevertrag für Klarheit und Sicherheit
Eheverträge fristen in Österreich ein Schattendasein. Die wenigsten Paare machen sich vor der Heirat Gedanken darüber, was der „Vertrag Ehe“ bedeutet. Ein Ehevertrag schafft Klarheit und Sicherheit für beide Partner und ist ein guter Anlass, sich mit den (rechtlichen) „Nebenwirkungen“ der Ehe auseinander zu setzen und gemeinsam vorzusorgen, für die Ehe wie auch den Fall einer Scheidung.
Wichtig ist, dass vor Abschluss des Ehevertrages jeder Partner ausreichend Zeit hat, den Vertragsentwurf zu prüfen und die rechtlichen Konsequenzen durchzudenken.
Eheverträge können vor der Heirat abgeschlossen werden und auch während der Ehe. Ändert sich die Familiensituation, sollten Eheverträge während der Ehe den geänderten Verhältnissen angepasst werden.
In folgenden Fällen kann ein Ehevertrag sinnvoll sein:
Absicherung der Familiengründung
Ist in der Ehe eine Familiengründung geplant, wird in den meisten Fällen ein Partner beruflich zurückstecken oder sogar eine gewisse Zeit aus der Berufstätigkeit aussteigen, um die Kinder zu betreuen. Das Gesetz sieht im Falle einer Scheidung keinen Ausgleich für einen dadurch verursachten „Karriereknick“ vor.
Auch dafür, dass der Partner nach dem Wiedereinstieg in den Beruf voraussichtlich weniger verdienen und später weniger Pension beziehen wird, sieht das Gesetz keinen Ausgleich vor. Lediglich indirekt über Unterhaltsansprüche, die jedoch weitestgehend verschuldensabhängig und damit unsicher sind, könnte ein gewisser Ausgleich stattfinden. Das österreichische Recht kennt bei der Scheidung keine Aufteilung der Pensionsanwartschaften, also keinen Versorgungsausgleich oder Pension-Sharing, wie es in Deutschland oder in England vorgesehen ist.
Für diese Situation kann es sinnvoll sein, in einem Ehevertrag einen entsprechenden Ausgleich zu vereinbaren.
Patchworkfamilien
Patchworkfamilien bringen eine Vielzahl von faktischen und rechtlichen Fragen mit sich, beispielsweise: Wie werden in der Ehe die „mitgebrachten“ Kinder finanziert? Wie kann sichergestellt werden, dass die eigenen Kinder das mitgebrachte Vermögen erben? Wie kann ein Erbschaftsstreit vermieden werden?
Alle diese Fragen können in einem Ehevertrag, allenfalls kombiniert mit einer erbrechtlichen Regelung, geklärt werden.
Familienvermögen oder Familienunternehmen
Häufig wird ein Ehevertrag abgeschlossen, wenn ein Partner Familienvermögen oder ein Unternehmen in die Ehe einbringt oder als Erbe solchen Vermögens vorgesehen ist. Der Partner selbst oder dessen Eltern befürchten, dass dieses Vermögen im Falle einer Scheidung „verloren geht“ und an den anderen Partner fällt. Mit einem Ehevertrag kann sichergestellt werden, dass das Vermögen in der Ursprungsfamilie bleibt.
Eigentumswohnung oder Haus eines Partners als Ehewohnung
Bringt ein Partner eine Eigentumswohnung oder ein Haus in die Ehe mit, wo das Paar wohnen wird, kann die Einbeziehung dieser Immobilie in die Aufteilung im Ehevertrag ausgeschlossen werden („opting-out“). Die eingebrachte Ehewohnung kann vertraglich auch ausdrücklich in die Vermögensaufteilung nach einer Scheidung mit einbezogen werden („opting-in“).
Meist wird der Ehevertrag abgeschlossen, um eine Immobilie von der Vermögensaufteilung auszunehmen.
Ehe von Berufstätigen
Sind beide Partner berufstätig, besteht oft der Wunsch, dass jeder Partner über sein Vermögen frei verfügen kann und das auch im Falle einer Scheidung so bleiben soll.
Im Ehevertrag kann der gesetzliche Zugewinnausgleich ausgeschlossen oder modifiziert werden, sodass jeder Partner sein Vermögen behält oder dieses nur mit gewissen Vermögenswerten, wie beispielsweise der Ehewohnung, der Aufteilung unterliegt.
Auch wechselseitige Unterhaltsansprüche nach der Scheidung können im Ehevertrag ausgeschlossen werden.
Wohnsitzverlegung ins Ausland
Wenn aus beruflichen oder sonstigen Gründen eine Übersiedlung ins Ausland geplant ist, können die Partner mit einem Ehevertrag Sicherheit schaffen. Mit der Übersiedlung in ein anderes Land kann eine andere Rechtsordnung auf die Ehe zur Anwendung kommen, die die Partner nicht kennen und deren Auswirkungen und Regelungen sie in dieser Form vielleicht nicht wollen.
Im Ehevertrag können die Partner ihre Regeln für die Ehe und Scheidung oder Trennung festlegen und für einzelne Rechtsfragen das anzuwendende Recht selbst wählen.
Binationale Ehen
Die Rechtsordnungen der Heimatländer binationaler Paare regeln die Ehe oft sehr unterschiedlich. Die Partner können für ihre Ehe mit einem Ehevertrag eine klare und verbindliche Rechtsgrundlage schaffen.
Rechtswahl nach europäischem Ehe- und Familienrecht
Nach den europäischen Rechtsnormen können die Partner für verschiedene eherechtliche Fragen das anzuwendende Recht vertraglich festlegen. So kann im Ehevertrag das Recht gewählt werden, das auf die Unterhaltsansprüche der Partner während der Ehe und nach einer Scheidung anwendbar sein soll.
Auch das auf die Scheidung anzuwendende Recht kann vertraglich gewählt werden. Das Scheidungsrecht der europäischen Länder ist sehr unterschiedlich. In Österreich ist beispielsweise eine einvernehmliche Ehescheidung leicht und ohne Trennungsjahr möglich. In Deutschland ist vor der Scheidung ein Trennungsjahr vorgesehen, in Italien sogar eine dreijährige Trennung.
Eine Rechtswahl ist auch für die güterrechtliche Situation in der Ehe und die Vermögensaufteilung bei der Scheidung möglich.
Gerichtliche Überprüfung eines Ehevertrages
Das österreichische Recht sichert indirekt eine gewisse Ausgewogenheit der Regelungen im Ehevertrag. Das Gericht kann bei einer strittigen Scheidung das eheliche Vermögen anders aufteilen als im Ehevertrag vorgesehen, wenn dieser einen Partner „unbillig“ benachteiligt. Darunter ist zu verstehen, dass der Ehevertrag den gesetzlichen Aufteilungsanspruch eines Partners ganz massiv einschränkt, also grob unfair zu Lasten eines Partners geht.
Es ist daher wichtig, dass diese Billigkeitsgrenzen bei Abschluss eines Ehevertrages berücksichtigt werden.
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